Dr. Salomon Formstecher:
Rabbiner - 1848er - Erfinder - Ehrenbürger


Von Hans-Georg Ruppel, ehemaliger Stadtarchivar

Salomon Formstecher kommt am 26. Juli 1808 in der damals noch fürstlich isenburg-birsteinischen Residenzstadt Offenbach zur Welt. Seine Eltern waren Abraham Moses Formstecher (geb. 1762) und Schönchen, die aus einem kleinen Ort in der Rhön stammten. Als der Vater im Alter von 28 Jahren nach Offenbach kam, musste er noch den schändlichen "Judenleibzoll" entrichten. Als der Sohn in Offenbach 1889 starb, war der hochgeachtet und der erste jüdische Ehrenbürger der Stadt.
Formstecher besuchte zunächst die Lateinschule seiner Heimatstadt, er wollte ursprünglich Buchbinder oder Portefeuiller werden, Berufe, die in der schnell wachsenden Industriestadt gesucht waren. Er gab dann aber dem Studium an der hessen-darmstädtischen Landesuniversität Giessen der Vorzug. Dort hat er vor allem Theologie studiert und das Fach 1831 mit erfolgreicher Promotion abgeschlossen.


Erst Prediger, dann Rabbiner

Am 1. Oktober 1832 wurde er Prediger und Religionslehrer der jüdischen Gemeinde Offenbach. Nachdem die vom Einsturz bedrohte Synagoge in der Großen Marktstraße (der früheren Großen Judengasse) grundlegend renoviert und erweitert worden war, ist er auch im Herbst des Jahres 1832 an der Neueinweihung massgeblich beteiligt gewesen. Dieses neue Haus, das bis 1916 zentraler Ort der jüdischen Gemeinde war, sollte über 50 Jahre seine Wirkungsstätte bleiben.
Hier übernahm er Anfang 1842 provisorisch das Rabbineramt wegen der geschwächten Gesundheit und des hohen Alters von Oberrabbiner Gottlieb Metz. Die Gemeinde ersuchte daraufhin das zuständige Kreisamt, diesem Provisorium abzuhelfen, da sie "Ursache hatte, mit den Leistungen des Herrn Dr. S. Formstecher zufrieden zu sein". Nach dem Tod des Oberrabbiners Metz Anfang März wurde dem Ersuchen zum 1. April 1842 entsprochen.


Wider den Religionshass

Neben seiner Rabbinertätigkeit ist Formstecher ein "begeisterter 1848er" gewesen. Die ersten Impulse hierzu dürfte er währen seines Studiums in Giessen bekommen haben; 1848 hält er an Sonntagnachmittagen Religionsvorträge in der Synagoge und lässt ankündigen, dass er seinen Vortrag am 26. März 1848 mit "einem Dank für die erhaltenen bürgerlichen Freiheiten" eröffnen möchte. Im August des gleichen Jahres veröffentlichte er einen umfangreichen Beitrag im "Offenbacher Intelligenzblatt" über die "Religionsfreiheit", in dem er u. a. ausführte: "So müssen wir dem freien Deutschen der Gegenwart zurufen: Lösche die Fackel deines Religionshasses aus, gönne jedem die Freiheit. sich einen Gott zu denken und ihn zu verehren nach eigener Erkenntnis und nach eigenem Herzensbedürfnis, taste ihm diese Freiheiten nicht mit rauhen Fingern an, weil Du sonst selbst der Freiheit nicht würdig bist". Als im März 1859 in Offenbach der "Verein für Naturkunde" gegründet wurde, war Formstecher eines von 25 Gründungsmitgliedern! er wurde "mitberatendes Vorstandsmitglied" und hat dem Verein, schliesslich als Ehrenmitglied, bis zu seinem Tod angehört.


Erfindung patentiert

Unbekannt ist wahrscheinlich die Tatsache, dass er sich auch als Erfinder, zumindest Zeit seines Lebens, eine Namen gemacht hat. Im Gewerbeblatt von 1858 wurde dem Rabbiner Dr. Formstecher für die Dauer von 5 Jahren folgendes Patentrecht erteilt: "Anwendung des von ihm erfundenen, durch Zeichnung und Beschreibung näher erläuterten, Streichklaviers, soweit sich seine Erfindung auf die sogenannten Bögen oder Saitenstreicher, die Verwendung des Kautschuks hierzu, und die Claviermechanik bezieht". Dem Katalog zur "Landesgewerbeausstellungdes Großherzogtums", die 1879im heutigen Dreieichpark abgehalten wurde, ist zu entnehmen, dass eine von ihm gefertigte "Nachbildung des zweiten Jerusalem`schen Tempels zur Zeit des Kaisers Augustus nebst Beschreibung" und die "Nachbildung eines antiken griechischen Tempels" ausgestellt wurden.
So war es nur folgerichtig, dass Formstecher anlässlich seines 50jährigen Rabbinerjubiläums 1882 das Verdienstkreuz 1 Klasse Philipps des Grossmütigen "wegen der großen Verdienste, die sich der Jubilar während seiner Amtsführung um seine Gemeinde sowie auch als Rabbiner des Kreies Offenbach" als eines Auszeichnung des Landesherrn erhielt. Gleichzeitig ehrte die Stadt Offenbach den so Gefeierten mit der Verleihung der Ehrenbürgerwürde.

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© Max Dienemann / Salomon Formstecher Gesellschaft e. V.