Offenbacher Lesungen
Literatur im O-Ton


SOPHIE ROIS LIEST HILDE SPIEL:
„WELCHE WELT IST MEINE WELT?“

11. Dezember 2016, 20.00 Uhr
Alte Schlosserei der EVO, Goethering, Offenbach

In Kooperation mit EVO und dem städtischen Amt für Kultur- und Sportmanagement

Sophie Rois, 1961 in Oberösterreich geboren, am Wiener Max-Reinhardt-Seminar zur Schauspielerin ausgebildet, interpretiert bei den diesjährigen »Offenbacher Lesungen / Literatur im O-Ton« Texte von Hilde Spiel. Die Schauspielerin und Rezitatorin wurde vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem Adolf-Grimme-Preis, dem Deutschen Hörbuchpreis, Deutschen Filmpreis und Deutschen Theaterpreis. Rois war 2012 Schauspielerin des Jahres; 2014 wurde sie mit dem französischen Kulturorden „Chevalier des Arts et des Lettres“ geehrt.

In Spiels Œuvre wird im Nucleus der untergangenen k.u.k. Monarchie, des austrofaschistischen Ständestaats der 1930er Jahre und des „Anschlusses“ Österreichs 1938 an Hitlers Reich ein bedeutsames Kapitel deutscher Kulturgeschichte gegenwärtig. Das gilt ebenso für die Epoche nach dem Zusammenbruch der Nazi-Diktatur. 1936 nach England emigriert, bewahrte sich Spiel einen kritischen, skeptischen Blick auf ihr Heimatland, ihre Geburtsstadt Wien, und nicht minder auf London, ihren Zufluchtsort im Exil. Ihre Neugier führte sie aber auch nach Griechenland, Italien, Frankreich und Israel.

Das Wort von der „Grande Dame der deutschsprachigen Literatur“, das der F.A.Z.-Literaturchef Marcel Reich-Ranicki 1982 zum siebzigsten Geburtstag der Schriftstellerin und Journalistin Hilde Spiel (1911-1990) sprach, hat noch zweieinhalb Jahrzehnte nach ihrem Tod Gültigkeit. Die Autorin, an der Sprache Hugo von Hofmannsthals und Heimito von Doderers geschult, war eine Meisterin des Essays und Feuilletons, der Erzählung. In einer assimilierten jüdischen Familie aufgewachsen – die Eltern waren zum Katholizismus konvertiert –, hatte Spiel eine hohe Sensitivität entwickelt: für das Eigene wie das Fremde. Spiel war stets eine Suchende. Nicht von ungefähr lautete der Titel des zweiten Bands ihrer Erinnerungen „Welche Welt ist meine Welt?“, veröffentlicht im Jahr, in dem sie starb.

Spiel schreibt in ihrem 1968 veröffentlichten Tagebuch, das mit „Rückkehr nach Wien“ betitelt ist, über einige Wochen 1946 berichtet und später verfasste Reflexionen hinzufügt: „Es geht nicht um Loyalität: die schulde ich meinen Rettern. Es geht um den inneren Standort, der ins Wanken geraten ist. Frühere Bande festigen sich, indes die jetzigen sich lockern. Ich muß befürchten, daß mein Schwerpunkt irgendwo in den Lüften über Europa liegt, in einer schwebenden Wolke über England, Österreich, Italien, Frankreich, abwechselnd angezogen und abgestoßen, ohne an diesem oder jenem Ort niederzugehen. Jetzt, da kein Zwang mich hüben vertreibt und drüben festhält, bin ich in eine Pendelbewegung geraten.“


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© Max Dienemann / Salomon Formstecher Gesellschaft e. V.