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Pressemitteilung zum zehnjährigen Bestehen der Max Dienemann / Salomon Formstecher-Gesellschaft

"Empfangen und weitergeben"
("Pirkej Awot", Sprüche der Väter)

"Um für ein besseres Verständnis von
Juden und Nichtjuden zu wirken ..."


10 Jahre Max Dienemann/Salomon Formstecher-Gesellschaft
Die Max Dienemann/Salomon Formstecher-Gesellschaft Offenbach e.V. kann aus Anlaß ihres zehnjährigen Bestehens eine positive Bilanz ihres Wirkens ziehen: Seit der Gründung im Juni 1995 haben wir etwas mehr als 60 Veranstaltungen und Exkursionen angeboten. Dabei zählten wir fast 6000 Besucher und Teilnehmer. Hatten sich an der Gründung unserer Gesellschaft seinerzeit 16 Bürger – Juden und Nichtjuden – beteiligt, so gehören ihr jetzt 50 Mitglieder an.
Unsere Gesellschaft befaßt sich mit dem Leben der Juden in Deutschland, vor allem in Offenbach, seit Beginn der Neuzeit. Benannt haben wir unsere Vereinigung nach zwei Rabbinern, die in Offenbach wirkten, internationales Ansehen erlangten und Antwort suchten auf die Herausforderung der Moderne an die jüdische Gemeinschaft: Rabbiner Dr. Salomon Formstecher, einer der "Gründungsväter" der jüdischen Reformbewegung im 19. Jahrhundert, und Dr. Max Dienemann, ein Vordenker des liberalen Judentums im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts.

Der Vereinsvorsitzende faßte bei der Mitgliederversammlung, die jüngst in der Offenbach stattfand, das Wirken der Gesellschaft so zusammen: "Die Max Dienemann/Salomon Formstecher-Gesellschaft ist ihrem Anspruch gerecht geworden, ein Forum für zeitgenössisches Judentum zu bieten, die Begegnung von Juden und Nichtjuden zu ermöglichen, das kontroverse Gespräch zu fördern und Einblicke in das Alltagsleben von Juden hierzulande zu geben – im Wissen um die Schoa, die Vernichtung des deutschen Judentums durch die nationalsozialistische Gewaltherrschaft."

"... meinen persönlichen Frieden mit Deutschland geschlossen."

Die in London lebende älteste Tochter von Rabbiner Dr. Max Dienemann und Ehrenmitglied der Dienemann/Formstecher-Gesellschaft, würdigte in einem Grußwort zur Mitgliederversammlung die Tätigkeit des Vereins:

"Sie feiern den zehnten Jahrestag der Gründung der Gesellschaft, aber auch ich habe einen zehnten Jahrestag zu feiern. 1995 war nämlich das Jahr, in dem ich meinen persönlichen Frieden mit Deutschland geschlossen habe. In diesem Jahr lud Ihre Gesellschaft meine Schwester Paula Schindler und mich ein, gemeinsam meines 1939 verstorbenen Vaters Max Dienemann zu gedenken. Ich brauche Ihnen nicht zu erzählen, daß ich sehr zögerte, nach Offenbach zu kommen angesichts all der üblen Erinnerungen an die ersten 17 Jahre meines Lebens, ganz zu schweigen von 'Kristallnacht' und Krieg.

Meine Schwester überredete mich jedoch zu dieser Reise, und ich hatte keinerlei Veranlassung, diese Entscheidung zu bedauern. Ganz im Gegenteil wurden wir überall in Offenbach besonders auch von Oberbürgermeister Gerhard Grandke, mit großer Herzlichkeit und Freundlichkeit empfangen, so daß es ein wundervolles Erlebnis wurde. Es war sehr passend, daß gleichzeitig Ihre Gesellschaft gegründet wurde, um für ein besseres Verständnis zwischen Juden und Nichtjuden zu wirken, und ich war dankbar dafür."

Die Mitglieder der Gesellschaft gedachten während ihrer Versammlung Paula Schindlers, der zweitältesten Tochter von Rabbiner Dienemann, die im vergangenen November hochbetagt in London starb und Ehrenmitglied unserer Gesellschaft war.

Bundesweit einzigartiges Wege-Ensemble

Nach Ansicht des Vereinsvorsitzenden hat die Vereinigung in den vergangenen zehn Jahren einen "wichtigen Beitrag zur Geschichtskultur in Offenbach und zum Geschichtsbewußtsein einer größeren Anzahl von Bürgern geleistet und somit zum besseren Verständnis von Juden und Nichtjuden beigetragen". Die Gesellschaft habe sich zu einer "anerkannten Größe im Kulturleben Offenbachs" entwickelt, zu einem Partner, der vielfältige Kooperationen eingegangen sei – von der Jüdischen Gemeinde über das Kulturamt, die Volkshochschule, die Gruppe "Unabhängige Offenbacher Buchhändler" sowie die Industrie- und Handelskammer bis zu Buchverlagen, etwa dem S. Fischer Verlag, und dem Hessischen Rundfunk.

Auch haben wir etliche Vorhaben angeregt, die zur historischen Identität Offenbachs beitragen sollen. So kam aus unserer Mitte die Initiative, die zwischen 1999 und 2002 zur Benennung von Wegen im Offenbacher Büsing-Park nach drei Rabbinern führte: Rabbiner Dr. Salomon Formstecher, Dr. Max Dienemann und Regina Jonas – die weltweit erste Frau im Judentum, die zur Rabbinerin ordiniert wurde, und zwar im Dezember 1935 in Offenbach durch Rabbiner Dienemann. Im Büsing-Park entstand so ein Wege-Ensemble, das ein bundesweit einmaliges Merkzeichen zur deutsch-jüdischen Geschichte darstellt. Der Stadt Offenbach, die das Vorhaben verständnisvoll aufgegriffen und verwirklicht hat, dankte der Vereinsvorsitzende hierfür: "Ein Stück jüdischer Geschichte ist in die Mitte unserer Stadt zurückgekehrt, an einem ihrer schönsten Orte, in unmittelbarer Nähe zum Zentrum jüdischen Lebens gestern und heute."

Als nicht minder wichtig bezeichnete der Vereinsvorsitzende die im Foyer des Veranstaltungshauses "Capitol" angebrachte Informationstafel zur Geschichte des Gebäudes, der ehemaligen Offenbacher Synagoge, und die Anbringung des Schildes "Dr. Max Dienemann-Saal" vor dem Festsaal des früheren Gemeindezentrum. Beide Tafeln wurden von uns angeregt, die Anregungen von der Gemeinnützigen Baugesellschaft Offenbach (GBO) aufgegriffen. Auch gab die Max Dienemann/Salomon Formstecher-Gesellschaft den Anstoß zum Schülerwettbewerb "Jüdisches Leben in Offenbach", der 1997 ausgelobt wurde.

Authentisches Bild jüdischen Lebens

Bestrebt, ein authentisches Bild jüdischen Lebens zu vermitteln und durch profilierte Persönlichkeiten unseren Gästen nahezubringen, luden wir in den vergangenen Jahren zu Vorträgen, Lesungen, Podiumsdiskussionen und Konzerten namhafte Wissenschaftler, Künstler, Literaten und Referenten ein: Marcel Reich-Ranicki, Ignatz Bubis, Michael Degen, Fritz Muliar, Gerhard Bronner, Timna Brauer, Elias Meiri, Robert Menasse, Stefanie Zweig, Lev Berinski, Ruth Weiss, Michael Meyer, Julius H. Schoeps, Michael Brenner, Zvi Hecker, Micha Brumlik, die Rabbiner Albert Friedlander, Henry Brandt, Tovia Ben-Chorin und Michael Goldberger, die Rabbinerin Evelyn Goodman-Tau, und Avitall Gerstetter, Deutschlands erste jüdische Kantorin.

Auf unseren Wunsch haben renommierte Wissenschaftler wie der amerikanische Historiker Michael Meyer und der Philosoph Thomas Meyer, München, Beiträge zum Wirken der Rabbiner Formstecher und Dienemann publiziert. Dr. Salomon Korn, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, veröffentlichte in Verbindung mit dem Streit um das Berliner "Holocaust"-Mahnmal seinen im Dezember 1995 vor unserer Gesellschaft gehaltenen Vortrag über die Gedenkkultur im Judentum ("Die Tafeln sind zerbrochen").

Zum Jubiläum: Festvortrag in der ehemaligen Synagoge

Unsere Gesellschaft will ihre Tätigkeit auf den bisher entwickelten Feldern fortsetzen: Wir wollen ein "Forum" bieten für Begegnungen und kontroverse Diskussionen; ein "Podium" bereitstellen für Lesungen und Konzerte; "Forschungswerkstatt" sein, um das einst facettenreiche Leben der deutschen Juden besser zu verstehen; "Ortserkundungen" zu jüdischem Leben gestern und heute unternehmen, zum Beispiel Stadtrundgänge und Busexkursionen. Auch wollen wir unser Augenmerk stärker als bisher auf die jüngere Generation richten.

Aus Anlaß unseres Jubiläums haben wir den Historiker Prof. Dr. Michael Brenner, Universität München, für den 13. November, 20 Uhr, zu einem Festvortrag in den "Dr. Max Dienemann-Saal" der ehemaligen Offenbacher Synagoge, heute Veranstaltungshaus "Capitol", eingeladen. Brenner wird über ein fast vergessenes Erbe der deutschen Juden sprechen: ihren Humor. Bereits am 3. Juli hatten wir bei unserer gemeinsam mit dem Kulturamt Offenbach ausgerichteten Jubiläumsveranstaltung Gerhard Bronner aus Wien zu Gast, Nestor des deutschsprachigen Kabaretts, in diesem Jahr für sein Lebenswerk mit dem Deutschen Kleinkunstpreis geehrt.

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© Max Dienemann / Salomon Formstecher Gesellschaft e. V.