Pressestimmen

20. Oktober 1999
Gaby Jacobi, Tochter von Rabbiner Dr. Max Dienemann (1875-1939), anläßlich seines 60. Todestags zu Besuch in Offenbach

Frankfurter Allgemeine Zeitung, 22. Oktober 1999, Seite 77

"Vergeben, aber nicht vergessen"
Tochter von Rabbiner Dienemann besucht Offenbach / Empfang beim Bürgermeister

von. OFFENBACH. An den Käsekuchen aus dem Café Schulte, das bis vor kurzem noch an der Frankfurter Straße stand, kann sich Gaby Jacobi gut erinnern. Sie empfinde ein "wehmütiges Heimatgefühl", wenn sie über die Kaiserstraße, an der sie eine Zeit lang gelebt habe, spaziere. Aber ihre eigentliche Heimat, so räumte die 80 Jahre alte Jacobi ein, sei inzwischen England. Dennoch habe sie den Deutschen gegenüber keine Ressentiments. Sie habe, wenn sie an die Gräueltaten der NS-Zeit denke, "vergeben, aber nicht vergessen".

Die jüngste Tochter Max Dienemanns, einem der führenden liberalen Rabbiner Deutschlands der zwanziger und dreißiger Jahre, besucht zur Zeit gemeinsam mit ihrer Nichte Lore Hannah Lipson ihre Heimatstadt, die sie 1937 verlassen musste. Anlass ist eine Veranstaltung zum 60. Todestag ihres Vaters, zu der die Max Dienemann / Salomon Formstecher-Gesellschaft Offenbach eingeladen hatte. Gestern empfing Bürgermeister Stephan Wildhirt (SPD) die beiden Damen im Rathaus. Anschließend gingen sie den Max-Dienemann-Weg im Büsing-Park entlang.

Jacobi war im Alter von acht Wochen mit ihren Eltern nach Offenbach gekommen, ihr Vater wurde Gemeinderabbiner und blieb es bis zur erzwungenen Emigration im Dezember 1938. Sie besuchte zunächst eine höhere Mädchenschule in Offenbach, musste diese aber 1934 verlassen und wechselte auf eine Frankfurter Schule. Sie habe Glück gehabt, denn ihre Rektorin, eine Sozialistin, habe sie unterstützt und ihr das Abitur ermöglicht.
Kindheitserinnerungen wurden auch im Büsing-Park wach. Vor den steinernen Löwen am Büsing-Palais sei sie fotografiert worden. Auf dem Weg, der im April nach dem Rabbiner benannt worden war, ging sie als Kind fast täglich spazieren, entweder mit ihrem Vater oder dem Kindermädchen. Ihre in Frankfurt geborene Nichte kennt Offenbach nur aus Erzählungen ihrer Mutter; 1933 war ihre Familie nach Palästina ausgewandert. Während ihres Besuches empfinde sie auch Bedauern. "Es wäre für meine Eltern sicherlich leichter gewesen, wenn sie in Deutschland hätten bleiben können."

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© Max Dienemann / Salomon Formstecher Gesellschaft e. V.