Pressestimmen

16. Februar 2000
"Fräulein Rabbiner Regina Jonas -
Deutschlands erste Rabbinerin,
ordiniert in Offenbach".
Vortrag von Elisa Klapheck

Offenbach-Post, 18. Februar 2000, Seite 22

Frankfurter Rundschau - Rhein-Main & Hessen, 21.02.2000, Seite 25


Offenbach-Post, 18. Februar 2000, Seite 22


Das erste Fräulein Rabbiner
Elisa Klapheck berichtete in der Stadtbücherei von ihren Forschungsarbeiten über Regina Jonas
Von unserem Mitarbeiter Lothar R. Braun

Offenbach - Als 1972 erstmals in den USA eine Frau Rabbiner wurde, werteten Teile des Judentums das als Frevel, andere als befreiende Revolution, fast alle als eine Premiere. Es war in Vergessenheit geraten, dass die erste Rabbinerin der Welt ihre Ordination bereits am 26. Dezember 1935 in Offenbach am Main erhalten hatte. Geprüft und bestätigt hat sie der damalige Offenbacher Rabbiner Max Dienemann, ein gelehrter Vordenker der liberal-religiösen Richtung. Am Mittwoch war diese Berlinerin Regina Jonas Thema eines Vortragsabends, den die Max Dienemann / Salomon Formstecher-Gesellschaft in der Stadtbücherei veranstaltete.

Die Referentin, die junge Berliner Publizistin Elisa Klapheck, ist als Kennerin des Themas ausgewiesen. Sie hat über Regina Jonas geforscht und im vorigen Jahr die Streitschrift veröffentlicht, mit der die Jonas 1930 den verwegenen weiblichen Anspruch auf das rabbinische Amt scharfsinnig mit Argumenten aus der 3000jährigen religiösen Überlieferung begründet hatte.

Mit ihren religiösen Überzeugungen verstand Regina Jonas sich als Orthodoxe. Mit ihrem Anspruch auf das Lehramt war sie eine Liberale. Anstößig wirkte sie mithin auf beide Richtungen. Anregungen, sich durch Auswanderung aus Deutschland zu retten, wies sie zurück. Sie predigte noch im KZ und starb in der Gaskammer.

Elisa Klapheck, die dieses Lebensbild entrollte, bezeichnete sich als "Angehörige der zweiten Generation". Das meint die Generation, die Verfolgung und Demütigung nicht selbst erlebte und in Deutschland nicht mehr mit dem griffbereiten Koffer lebt. Es eröffnete in ihrem Vortrag sozusagen eine zweite Ebene, als sie zu erkennen gab, wie diese zweite Generation deutscher Juden sich für die eigenen Traditionen zu interessieren beginnt. Für Traditionen, die anders sind als die des osteuropäischen Judentums.

Regina Jonas gehört in diese deutsch-jüdische Traditionslinie. Und sie bildet ein Kapitel in der Geschichte der Frauenbewegung, von der Elisa Klapheck bis dahin angenommen hatte, sie habe um das religiöse Judentum einen Bogen geschlagen.

Den Zuhörern im Bücherturm bot der Abend denn auch ein mehrschichtiges Erleben. Geboten wurde ihnen ein Stück Lokalgeschichte, ein Stück deutsch-jüdischer Geschichte, die Biografie einer "aufregenden Persönlichkeit" und schließlich noch der Blick auf einen Zweig in der Geschichte der Frauenbewegung.

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Frankfurter Rundschau - Rhein-Main & Hessen, 21.02.2000, Seite 25

Nur ein Offenbacher Rabbiner wollte eine Frau ordinieren
Aber keine jüdische Gemeinde stellte "Fräulein Rabbiner Jonas" dann ein / Ein Buch und ein Vortrag der Journalistin Elisa Klapheck zur Erinnerung
Von Tobias Schwab

Die erste Rabbinerin der Welt hat ihre Ordination in Offenbach erhalten. Max Dienemann, einer der führenden liberalen Rabbiner seiner Zeit, examinierte Regina Jonas 1935 in seiner Offenbacher Privatwohnung. Keine Gemeinde wagte es allerdings, "Fräulein Rabbiner Jonas" einzustellen.

OFFENBACH. "Regina Jonas war eine Bahnbrecherin", sagt die Journalistin Elisa Klapheck. Obwohl die Geschichte beinahe über sie hinweggegangen wäre. Als Sally Priesand 1972 in den USA zur Rabbinerin ordiniert wurde, machte das weltweit als Premiere Schlagzeilen. Nur wenige wussten damals um die Pionierin Regina Jonas. "Doch mittlerweile ist sie für viele Nachfolgerinnen die Ikone", sagt Klapheck, die viel über Jonas geforscht und ihren Anfang der 90er Jahre entdeckten Nachlass gesichtet hat.
Auf Einladung der Offenbacher Max Dienemann / Salomon Formstecher-Gesellschaft referierte Klapheck, Chefredakteurin der Zeitschrift jüdisches berlin, über "Fräulein Rabbiner Jonas". 1902 im Berliner Scheunenviertel geboren, wuchs Regina Jonas in ärmlichen Verhältnissen und einem streng religiösen Elternhaus auf. Von Mitschülerinnen weiß Klapheck, dass Regina Jonas schon auf dem Mädchen-Lyceum "laut gesagt hat, sie wolle Rabbiner werden".

Nach dem Abitur unterrichtet sie Religion und Hebräisch, finanziert sich damit ihr Studium an der Hochschule für die Wissenschaft des Judentums. Ihr Lehrer ist dort Eduard Baneth. Bei ihm schreibt sie ihre Abschlussarbeit zur Frage "Kann eine Frau das rabbinische Amt bekleiden?" Und kommt nach einem Gang durch die gesamte jüdische Überlieferung zu einem überraschenden und provozierenden Ergebnis. Das Rabbineramt für Frauen, so Jonas, steht nicht im Widerspruch zur jüdischen Tradition, sondern kann sogar aus ihr begründet werden. "Weil aus ihr der Geist der Freiheit weht", referiert Klapheck, die die Arbeit von Jonas 1999 ediert und kommentiert hat.

Obwohl Talmud-Professor Baneth die Arbeit mit "gut" bewertet, wird Jonas nicht ordiniert. Ob Baneth es wollte, ist nicht bekannt - er stirbt kurze Zeit später. Die anderen Professoren der Hochschule weigern sich.

1935 erklärt Max Dienemann, liberaler Offenbacher Rabbiner und Erneuerer der jüdischen Frömmigkeit, sich schließlich bereit, Regina Jonas die Ordination zu erteilen. Ein erhaltener Briefwechsel belegt die schwierige Suche nach einem Termin. Schließlich reist Jonas am 26. Dezember von Berlin nach Offenbach. In seiner Privatwohnung in der Körnerstraße 12 prüft Dienemann die Kandidatin mehrere Stunden lang, stellt ihr ein gutes Zeugnis aus und erteilt ihr am nächsten Tag die Lehrerlaubnis.

Skandal-Rufe und Jubel - das Echo auf die erste Frauen-Ordination enthielt beides, hat Klapheck recherchiert. Auch die Befürworter aber waren sich unsicher, wie die neue Gesetzeslehrerin denn anzureden sei. Jonas selbst war unentschieden. Einerseits legte sie Wert auf die Anrede "Fräulein Rabbiner", andererseits unterschrieb sie selbst mit "Rabbinerin Jonas".

Obwohl die Not der Juden angesichts der nationalsozialistischen Verfolgung immer bedrückender wurde, wagte keine Gemeinde, die Rabbinerin anzustellen. Sie wirkte Klapheck zufolge aber in liberalen Privatsynagogen und in Krankenhäusern. Zeitzeugen haben sie als begeisternde Predigerin in Erinnerung. "Wenn Regina Jonas gesprochen hat, haben die Menschen aufgeatmet," erzählt Klapheck. Ihre Synagoge sei überall gewesen, sie habe selbst in den Kartonagenfabrik gepredigt, wo sie von 1941 an Zwangsarbeit leisten musste.

Angebote, in die USA zu emigrieren, lehnt Jonas ab. "Sie wollte bei ihrem Volk sein", sagt Klapheck. 1942 wird sie mit ihrer Mutter ins Konzentrationslager Theresienstadt deportiert, wird dort zur Mitarbeiterin im "Referat für psychische Hygiene", das der Psychiater Victor Frankl leitete. Auch im KZ predigt Jonas, hält Vorträge und kümmert sich als Seelsorgerin um die Menschen, die in Theresienstadt ankommen. Im Oktober 1944 wird Regina Jonas schließlich nach Auschwitz gebracht und dort ermordet.

Viele, die der ersten Rabbinerin begegnet seien, hätten sie als beeindruckende Frau in lebendiger Erinnerung. Umso erstaunlicher sei es, dass Jonas in der berühmten Autobiografie Victor Frankls, die ganz auf der Erfahrung in Theresienstadt aufbaue, mit keinem Wort erwähnt werde. Auch Leo Baeck, mit dem Jonas an der Hochschule zu tun hatte, habe nicht von der Rabbinerin berichtet. Klapheck vermutet, das Thema sei manchen Zeitgenossen peinlich gewesen. Dass eine Frau ordiniert wird, das sei für viele nur unter den besonderen geschichtlichen Bedingungen möglich gewesen. Regina Jonas hätte es aber auch ohne die nationalsozialistische Verfolgung geschafft, ist sich Klapheck sicher. "Sie hatte einen starken Charakter und hatte es sich von Anfang an in den Kopf gesetzt."

Nach dem Rabbiner Max Dienemann ist in Offenbach ein Weg benannt. Regina Jonas steht auf der Vorschlagsliste der Offenbacher Stadtverordnetenversammlung für die Benennung neuer Straßen.

Das Buch "Fräulein Rabbiner Jonas - Kann die Frau das rabbinische Amt bekleiden? - ediert, kommentiert und eingeleitet von Elisa Klapheck" ist 1999 im Verlag Hentrich & Hentrich erschienen und kostet 39,80 Mark.

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