Pressestimmen

5. Mai 2003
Lesung von Stefanie Zweig aus ihren Büchern "Nirgendwo in Afrika" und "Irgendwo in Deutschland"

Offenbach-Post, 07.05.2003, Seite 9

Begegnung mit einer großen Erzählerin
Stefanie Zweig in Offenbach zurück


Stefanie Zweigs autobiographischer Roman "Nirgendwo in Afrika" war bereits ein Erfolg, bevor der Stoff Vorlage für einen Spielfilm wurde. Doch als der Streifen mit dem Oscar-Preis die cineastische Krönung erfuhr, erhielt das Publikumsinteresse einen weiteren Schub. So hat es denn auch nicht überrascht, dass der Saal der Jüdischen Gemeinde Offenbach proppenvoll war, als die Autorin dort am Montagabend zu einer Lesung auftrat – veranstaltet von der Max Dienemann / Salomon Formstecher Gesellschaft mit der Steinmetzschen Buchhandlung und der gastgebenden Gemeinde.

Den Hintergrund des verfilmten Romans bilden die Bedrohung und Entwurzelung einer deutsch-jüdischen Bürgerfamilie. Es ist die Geschichte eines Entkommens und Überdauerns. Erzählt wird sie aus der Perspektive eines kleinen Mädchens, das unversehens in eine neue Daseinsform geworfen und darin heimisch wird. Stefanie Zweig macht kein Hehl daraus, dass es ihre eigene Geschichte ist.

Ihrem Offenbacher Publikum hat sie daraus ein beispielhaftes Kapitel vorgetragen. Beispielhaft für die atmosphärische Dichte, in der sie zu erzählen weiß, für die Sicherheit ihrer Dialoge, für feinen Humor und poetische Zärtlichkeit.

Seit ihre Familie aus dem exotischen Exil mit seinen ganz anderen Bedrängungen in die Trümmerwelt Nachkriegs-Deutschlands wechselte, lebt Stefanie Zweig in Frankfurt am Main. In diesen Lebensabschnitt gehören Offenbacher Jahre. Im alten Pressehaus am Aliceplatz stand der Schreibtisch, in dem die junge Journalistin schreibend reifte. Hier hat sie ihre Beobachtungsgabe geschärft und ihre Form entwickelt. Sie erzählt davon in dem Roman "Irgendwo in Deutschland", der das Afrika-Buch fortführt.

Die Personen, denen der Leser darin begegnet, lassen sich leicht entschlüsseln. Namen sind nur schwach verfremdet. Doch nicht aus den sehr persönlich geratenen Offenbach-Kapiteln mochte die Zweig in Offenbach lesen. Sie wählte einen Abschnitt, der im Zeitsprung anschließt an das zuvor gelesene Kapitel des Afrika-Romans. Es ist eine Erzählung von zarter, doch vibrierender Erotik.

Ein Erzählwerk von mehrfacher Heimatsuche und wiederholtem Heimatverlust wollte der Vorsitzende der veranstaltenden Gesellschaft erkennen. Stefanie Zweig zögerte, das zu bejahen. Sie hat Afrika nach Jahrzehnten noch einmal besucht, aber keine verlorene Heimat erkannt.

Das Afrika ihres Herzens ist in ihrem Buch, nicht in der Wirklichkeit konserviert. Als Heimat begreift die in Schlesien geborene und in Afrika aufgewachsene Zweig ihr Frankfurt am Main.

Falls sie sich über ihre Leserschaft im Unklaren war, könnte sie am Montag in Offenbach Aufschluss gewonnen haben. Zu neunzig Prozent bestand das Publikum aus Frauen jeglichen Alters. Sie dankten der Autorin herzlich für die anregende Begegnung.

LOTHAR R. BRAUN

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© Max Dienemann / Salomon Formstecher Gesellschaft e. V.