Pressestimmen

1. Oktober 2002
Zur 120. Wiederkehr der Ernennung von Rabbiner Dr. Salomon Formstecher zum Ehrenbürger Offenbachs
"'Die Religion des Geistes' - Versuch einer neuen Lektüre". Vortrag von Thomas Meyer, Wissenschaftspublizist, München
"Rabbiner Dr. Salomon Formstecher - Rabbiner, Erfinder, Ehrenbürger". Vortrag von Hans-Georg Ruppel, Stadtarchivar, Offenbach

Frankfurter Allgemeine Zeitung Nr. 230, 04.10.2002, S. 64

Ein Rabbiner als Reformer
Veranstaltung über Ehrenbürger Salomon Formstecher

es. OFFENBACH. Als "eines der bedeutendsten Werke der jüdischen Reformbewegung" hat der Münchener Wissenschaftspublizist Thomas Meyer das 1841 veröffentlichte Werk "Die Religion des Geistes" von Rabbiner Salomon Formstecher in Offenbach bei einer Veranstaltung der Max Dienemann / Salomon Formstecher-Gesellschaft im Jüdischen Gemeindezentrum gewürdigt.

Formstecher, der 1808 in Offenbach geboren wurde, war seit 1832 als Religionslehrer und Prediger in der dortigen Israelitischen Gemeinde tätig und wurde 1842 zum Rabbiner berufen. Vor 120 Jahren, am 1. Oktober 1882, ernannte ihn die Stadt Offenbach aus Anlaß seines fünfzigjährigen Dienstjubiläums als ersten Juden zum Ehrenbürger; dazu wurde Formstecher mit dem Verdienstkreuz Erster Klasse des Ordens Philipps des Großmütigen durch Großherzog Ludwig IV ausgezeichnet. Am Montag hatte die Stadt einen Weg im Büsing-Park nach Formstecher benannt (F.A.Z. vom Mittwoch).

Meyer charakterisierte Formstechers 450 Seiten umfassende Schrift als theologisches, philosophisches, aber auch politisches Buch. Das Werk, das den Untertitel "Eine wissenschaftliche Darstellung des Judenthums nach seinem Charakter, Entwicklungsgange und Berufe in der Menschheit" trägt, weise "in jeder Hinsicht nach vorne". Es sei ein "selbstbewußtes jüdisches Gesprächsangebot" an die beiden christlichen Konfessionen und den Islam.

Der Offenbacher Stadtarchivar Hans-Georg Ruppel wies darauf hin, daß Formstecher nicht nur Rabbiner und Ehrenbürger, sondern auch Erfinder - eines "Streichklaviers" - und "vehementer Achtundvierziger" gewesen sei. Formstechers Vater habe noch den "Judenleibzoll", eine Abgabe für handeltreibende Juden auf der Durchreise, entrichten müssen; Formstecher sei bei seinem Tod 1889 Ehrenbürger gewesen. Zu seinen Lebzeiten habe es somit "einschneidende Veränderungen" gegeben. Im Nachruf habe man ihn als "einen der bedeutendsten Offenbacher" gewürdigt. Schon wenige Jahre später sei an einem Offenbacher Geschäft allerdings der Aufruf zu lesen gewesen, nicht bei Juden zu kaufen.

Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Offenbach, Jacob Kerem-Weinberger, erinnerte daran, die Gemeinde sei schon Anfang des 19. Jahrhunderts den Reformideen zugewandt gewesen.

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© Max Dienemann / Salomon Formstecher Gesellschaft e. V.